Nostalgie

Vor 10 Jahren:
1990 - Aufbruch in eine neue Dekade

Wie in der letzten Ausgabe dieser Broschüre an gleicher Stelle versprochen, wollen wir unsere vor Jahresfrist neu eingerichtete, nostalgische "Das waren noch Zeiten"-Rubrik fortsetzen und einen Blick zurück zum Jahr 1990 werfen, welches für unsere Gemeinschaft derart richtungsweisend war, dass man es mit Fug und Recht als das wichtigste Jahr unseres Stammtisches bezeichnen kann. Als ich mich dazu aufraffte, diesen Bericht zu verfassen, musste ich natürlich alle jenes Jahr betreffenden Daten und Fakten zusammentragen. Ich durchwühlte also unzählige Aktenberge in unserem unterirdischen Stammtischarchiv und studierte insbesondere die das Jahr 1990 betreffenden Passagen in der Stammtischchronik und im Presseordner. Natürlich war auch die Einsichtnahme in die Maitourhefte der damaligen Zeit sehr hilfreich. Was mir in der Stammtischchronik zwangsläufig ins Auge fiel, war die fast schon inflationäre Benutzung der Worte "erste", "erster" bzw. "erstes". Das Jahr 1990 war für unseren Stammtisch also ein Jahr der Premieren, wie man der nachfolgenden Auflistung unschwer entnehmen kann:

erster Stammtisch in der DJK-Halle
erste Generalversammlung
erstmalige Elferratgestellung anlässlich der Seniorenfastnacht
erster Kappenabend für den gesamten Stammtisch
erste Dobi-Meisterschaft in der 0,33 l-Klasse
erste Dobi-Meisterschaft in der 0,5 l-Klasse
erste Teilnahme an den Bejse-Buwe-Speele des SSC Urbomber
erste Teilnahme an einem Fußballturnier
erster Mehrtagesausflug nach Quirnbach/Westerwald
erste Nachtwanderung zur Thomashütte
erstes Sankt-Martins-Laternchen-Trinken
erste Teilnahme am Nikolausmarkt auf dem Rathausplatz
erste Geburtstagsfeier von Jochen R. in der hauseigenen Räucherkammer
erste Wanderung zwischen den Jahren

Der bedeutendste dieser vorgenannten Punkten ist der auch an allererster Stelle aufgeführte wöchentliche Stammtisch in der DJK-Halle, welcher durch seine Regelmäßigkeit die Faßbierfreunde erst so richtig zusammenschweißte und auch nach über 10 Jahren - immer noch an gleicher Stelle und zur gleichen Zeit - für alle Stammtischbrüder eine unverzichtbare Institution im Wochenablauf darstellt.
Einen Monat später fand dann unsere erste Generalversammlung statt, an der lediglich zwei Mitglieder nicht teilnehmen konnten - eine wahrhaft unglaubliche Quote, wenn man bedenkt, dass die meisten Münsterer Großvereine anlässlich ihrer jährlichen Mitgliederversammlungen regelmäßig das Fehlen von 400 bis 500 Mitgliedern zu beklagen haben. Es wurde ein Vorstand gewählt, der bis zum heutigen Tage in unveränderter Besetzung die Geschicke unseres Stammtisches lenkt - ein weiteres Zeichen von beispielloser Kontinuität.
Auch die Stammtischfastnacht erlebte einen riesigen Aufschwung, als man den bis dato nur der Reiseleitung vorbehaltenen Kappenabend für die breite Masse des gesamten Stammtisches öffnete. Bereits zwei Tage zuvor stellten wir den Elferrat bei der Seniorenfastnachtssitzung im Pfarrzentrum der katholischen Kirche und bewiesen damit, dass soziales Engagement auch bei uns groß geschrieben wird. Der absolute Clou bei dieser närrischen Veranstaltung war, dass wir hinter dem Elferratstisch lediglich zehn Stühle vorfanden. Was hatten sich jene für die Organisation zuständigen Karnevalsbanausen dabei bloß gedacht? Sollten wir da oben auf der Bühne etwa "Reise nach Jerusalem" spielen? Hätte der Verlierer dann als Mundschenk agieren und die verbliebenen zehn Ratsherren mit "köstlichem" Wolf-Wein verwöhnen sollen? Dieses Rätsel wird wohl bis in alle Ewigkeit ungelöst bleiben!
Die beiden in jenem Jahr durchgeführten Dobi-Meisterschaften in der 0,33 bzw. 0,5 l-Klasse werden ebenfalls unvergessen bleiben. Der Ursprung dieser Veranstaltung ist in dem amerikanischen Spielfilm "Der Volltreffer" zu suchen, in dem wir nicht nur die blonde, als Hauptdarstellerin agierende Tochter von Telly "Kojak" Savalas (Gott sei Dank hat er ihr nicht seine Glatze vererbt!) überaus anregend fanden, sondern auch die während einer kurzen Episode dieses Machwerkes dargebotene Dosenbier-Entleerungsmethode, als die Blechdose am unteren Rand mittels eines festen, spitzen Gegenstandes gewaltsam geöffnet und durch das somit entstandene Loch in Windeseile entleert wurde. Nichts lag für uns näher, als dieses Ritual während so mancher Feierlichkeit nachzuahmen und im Laufe der Zeit hieraus gar einen Wettbewerb entstehen zu lassen. In beiden Literklassen konnte sich Michael B. gegen Bernd K. durchsetzen, wofür ihm der Titel "Moahkuh des Jahres" verliehen wurde.
Die damalige 4. Maitour führte uns bei bis zum heutigen Tage nicht überbotenen, hochsommerlichen Temperaturen von sage und schreibe 25 Grad nach Schaafheim. Wenn man heute die einleitenden Worte der damaligen Maitourbroschüre liest, als man kundtat, dass man "voller Zuversicht in die 90er Jahre startet, an deren Ende hoffentlich die 13. Fahrt stehen wird", fragt man sich nun, da man diese 13. Fahrt erfolgreich hinter sich gebracht hat und jetzt die 14. Maitour vorbereitet, wo denn nur die ganze Zeit geblieben ist. Na ja! Wir werden halt immer älter - und das immer schneller. An die Bestellung eines Sarges wollen wir aber noch nicht denken!
Wenn wir in besagter Maitourbroschüre weiterblättern, finden wir wieder so manches Highlight, wie z.B. das Grußwort des ehemaligen katholischen Pfarrers Georg Barth, der in seinen Ausführungen eine Brücke zwischen dem Biertrinken und christlichen Traditionen schlug. So wies er u.a. auf das Tun oberbayrischer Mönche hin, die aus reinem Selbsterhaltungstrieb Starkbier als primäres Lebensmittel für die christliche Fastenzeit brauen. Die damals von ihm angesprochene, kircheninterne Diskussion, den Messwein aufgrund verstärkt aufgetretener Weinkrämpfe bei Priestern durch Bier zu ersetzen, ist wohl im Sande verlaufen, da sich katholische Geistliche am Altar nach wie vor mit vergorenem Rebensaft vergnügen. Dass Georg Barth einen ausgezeichneten Ghostwriter beschäftigt, sei hier nur am Rande erwähnt.
Das "Centerfold" des damaligen Heftes zierten die beiden Gassenhauer "Faßbierlied" und "Das Maienlied", wobei ersteres sich in der Folgezeit zur unumstrittene Stammtischhymne entwickelt hat, die anlässlich jeder erdenklichen Gelegenheit, wie z.B. Generalversammlung oder Kappenabend, voller Inbrunst intoniert wird.
Am Beispiel unseres bayrischen Freundes Hans E. wurde die hervorragende Eingliederung von Randgruppen in unsere hessische Hochkulturgesellschaft dargestellt, und im Rahmen eines "Sbeschels" wurde unser Mitglied Michael O., den die jüngeren Mitglieder unseres Stammtisches unter Umständen gar nicht kennen werden, entsprechend gewürdigt.
Im sogenannten "Breisräätzel" war eine Person abgebildet, die man so - nämlich ganz ohne Gesichtsbehaarung - gar nicht kennt: Peter W.. Das Bild wurde kurz vor seiner ersten heiligen Kommunion aufgenommen, nachdem er sich auf Drängen seiner Eltern erstmals rasiert hatte.
Die damalige Maitour konnte aufgrund der bereits angesprochenen, erstklassigen Witterungsbedingungen nur ein tolles Ereignis werden. 14 Faßbierbrüder radelten - mit kurzen Hosen und der Erstausgabe unseres Stammtisch-T-Shirts bekleidet - frohen Mutes nach Schaafheim, wo wir uns an einem Frosch-Vergnügungsteich niederließen. Unser Freund Michael B. hatte es mit dem "Niederlassen" allerdings etwas übertrieben, als er beim Volleyballspielen von einem Baum plumpste, was eine ziemlich starke voluminöse Expansion seines Hufes nach sich zog. Es war für uns jedenfalls kein Problem, den Verunfallten auf der Heimfahrt vorschriftsmäßig abzuschleppen.
Ein weiteres denkwürdiges Ereignis unserer damals noch jungen Stammtischgeschichte war der 20. Geburtstag unseres damaligen (Noch-)Nicht-Mitgliedes Thomas L., den wir mit einer noch nicht da gewesenen Werbeaktion zum Stammtischbeitritt animieren wollten. Mit ziemlich genau 107 Dosen Dosenbier wollten wir den Schriftzug "COME TO FBF" auf den Asphalt des Nelkenweges projizieren, was vorher natürlich erst einmal geübt werden musste. Deshalb trafen sich am Vorabend 7, 8 oder auch 9 (wer weiß das schon noch genau!) Kameraden im Hof unseres Mitgliedes Rainer R. zur Generalprobe, während derer sie in einem Wettlauf gegen die Uhr die Bierdosen entsprechend auf dem Pflaster positionierten. Dass wir damals gut trainiert hatten, konnte man am darauffolgenden Abend sehen, als Thomas L. mit der aus einer knappen Hundertschaft Bierdosen bestehenden Beitrittsaufforderung konfrontiert wurde und - hiervon offensichtlich schwer beeindruckt - kurze Zeit später den Faßbierfreunden beitrat.

Im Verlaufe dieser Geburtstagsfeier wurde außerdem die Idee zu einer unvergessenen Wette geboren. Michael B. und Stefan R. erklärten sich gegen Zahlung einer Prämie in Form von jeweils 50 Liter Bier bereit, sich ihrer Hauptbehaarung berauben zu lassen. Dies ließen wir uns nicht zweimal sagen und willigten in den Deal ein - vor allen Dingen deshalb, weil wir auf der einen Seite einen Heidenspaß haben würden und darüber hinaus beim Konsum des Gerstensaftes sowieso wieder dabei wären.
Die Umsetzung der Kahlschläge fand in zwei Etappen im legendären "Salon Faust" statt. Den Anfang machte unser Freund Boni, der den Enthaarungszeitpunkt unmittelbar vor seiner Abfahrt ins KJG-Zeltlager nicht von ungefähr so gewählt hatte. So ersparte er seinen schockierten Eltern in den ersten beiden kahlen Wochen die Qual seines furchterregenden Anblickes und konnte sich bei der KJG als Lager-Hooligan Respekt und Ehrfurcht erwerben.

Es dauerte nur zwei Wochen, bis sich der andere Kandidat, nämlich Stefan R., an gleicher Stätte auf dem gleichen Folterstuhl niederließ, um sich seinen zarten, blonden Flaum entfernen zu lassen. Bei ihm war das Resultat jedoch weniger spektakulär als bei Boni, da man von ihm schon seit eh und je extreme Kurzhaarschnitte gewohnt war. Bemerkenswert war da schon eher die wenige Stunden später während des Radfahrer-Waldfestes geborene Idee, am nächsten Morgen nach Kahl am Main zu fahren, um am dortigen Ortseingangsschild ein Portraitfoto mit dem fleischgewordenen Inbegriff des Schildtextes aufzunehmen. Dass dieses Ansinnen auch umgesetzt wurde, ist der entsprechenden Abbildung im Maitourheft 1991 zu entnehmen.
Nachdem wir im Jahr 1989 bereits unsere Leidenschaft für das gesungene Wort entdeckt hatten - wir berichteten hierüber in der letztjährigen Ausgabe - erwachte in uns in den Sommertagen des Jahres 1990 die Begeisterung für die schönste Nebensache der Welt - den Fußball. Animiert von den phänomenalen Darbietung der deutschen Nationalelf während der WM in Italien (ja, ja, das waren noch Zeiten!), begaben wir uns während des montaglichen Stammtisches nach draußen auf die überwiegend grüne DJK-Wiese, um unseren Auswahlkickern nachzueifern. Und siehe da - wir waren gar nicht mal so schlecht! Dies bewog uns kurze Zeit später zu dem Entschluss, am Kleinfeldturnier der DJK Münster im Gersprenzstadion teilzunehmen. Obwohl wir nur den 9. Platz unter 16 teilnehmenden Mannschaften belegten, boten wir im Großen und Ganzen mehr als zufriedenstellende Leistungen, die schon zu diesem Zeitpunkt erahnen ließen, dass wir ein Jahr später die Hobbyfußball-Szene in ihren Grundfesten erschüttern würden. Doch hierüber wollen wir erst in der nächsten Ausgabe berichten.
Dass mit dem Erwachen unserer Vorliebe für die aktive Balltreterei auch das Aufleben der passiven Variante - gemeint ist hier der kollektive Fernsehsport - einher ging, war eine logische Konsequenz. Als sich die DFB-Elf bei der WM in Italien anschickte, zum dritten Male den WM-Titel zu gewinnen, trafen wir uns ab dem Halbfinale bei Michael B., um gemeinsam dem großen Triumph entgegenzufiebern. Das dieser damalige Traum glücklicherweise Realität wurde, ist inzwischen Geschichte. Jedenfalls liegt in den damaligen Fernseh-Fußball-Meetings die Wurzel zu unseren nach wie vor bei den Bonifer-Brüdern eingerichteten WM- bzw. EM-Studios, während derer wir von grenzenloser Euphorie bis hin zu maßloser Enttäuschung schon alles erlebt haben. Es überwog allerdings die Freude am gemeinsamen Erlebnis mit so manch' geleerter Kiste Bier, diversen verzehrten Grillspezialitäten und unzähligen Tüten Chips, Flips etc., die man unbarmherzig ihres Innenlebens beraubte.
Mein Gott! Jetzt habe ich Euch schon seit mehr als 5 Seiten unentwegt vollgesülzt. Ich hoffe, ich langweile Euch nicht! Jedenfalls bin ich noch lange nicht am Ende meiner Ausführungen angelangt. Also, weiter geht's!
Im Herbst 1990 brachen wir zu unserer (na was wohl!) ersten Mehrtagesfahrt auf. Genauer gesagt verbrachten wir ein Wochenende in Quirnbach/Westerwald, wo wir bei einem Artillerieclub zu Gast waren. Stefan R. hatte den Kontakt über einen damaligen Arbeitskollegen hergestellt, der in diesem verschlafenen Mittelgebirgsnest mit mehreren gleichgesinnten Knallerbsen der überaus weitverbreiteten Passion des Kanonenbaues frönte. Untergebracht im vereinseigenen Westernsaloon "Zur Kanone" - einer umgebauten Scheune - verbrachten wir mit unseren liebenswürdigen Gastgebern, welche allesamt einem John-Wayne-Edel-Western entsprungen zu sein schienen, einige kurzweilige Stunden mit Speis und viel Trank, Gesang, Klaviergeklimper, Hufeisenwerfen und Nageln (Nein, nicht was Ihr jetzt schon wieder denkt!). Nachdem wir uns dann am darauffolgenden Morgen, genauer gesagt Mittag, im Rahmen eines deftigen Cowboy-Brunches verköstigt hatten, verabschiedeten wir uns von den kauzigen Country-Freaks und traten die Heimreise an.
Ein weiteres durchaus erwähnenswertes Stammtisch-Event ist das in düsteren Novembernächten bei Rainer R. zelebrierte Sankt-Martins-Laternchen-Trinken. Im Verlaufe jener Zusammenkunft galt es, zumindest ein Laternchen - hierbei handelt es sich um einen mit Apfelwein gefüllten 1 Liter-Maßkrug, in dessen Innerem sich noch ein Sektglas mit Persico befindet - zu sich zu nehmen. Obwohl die meisten schon mit einem einzigen derartigen - im wahrsten Sinne des Wortes - Longdrink mehr als bedient waren, gab es immer irgendwelche Unentwegte, die sich an einem weiteren Glase dieses berüchtigten Killer-Cocktails versuchten - und das mitunter mit fatalen Folgen. So waren unsere beiden Stammtischgenossen Andreas P. und Claus M. nach dem gemeinsamen Genuss von insgesamt 5 (!) solcher Mörderteile nach einer vorübergehenden Phase zügelloser Abgedrehtheit kaum noch wahrnehmungsfähig. Einer der beiden war dermaßen satt, dass wir nicht in der Lage waren, ihn aus seinem künstlichen Koma zu befreien und ihm deshalb an Ort und Stelle sein Nachtlager einrichteten.
Kommen wir nun zu unserer ersten Teilnahme am Münsterer Nikolausmarkt, als wir gemeinsam mit der Metzgerei Frühwein die hungrigen Marktbesucher mit so manchem Leckerli versorgten und in Folge dessen unserer Stammtischkasse einen recht ansehnlichen Geldbetrag zuführen konnten. Unvergessen sind bis zum heutigen Tage die Erlebnisse mit widerspenstigen Currywurst-Schneidemaschinen, verfetteten Haaren, hochprozentigen Obstbränden (vornehmlich zum Eigenbedarf), Glühwein, Gyrospfannen sowie kalten Füßen. Als einige Jahre später ein Vorstandsmitglied während der Abbauarbeiten, einem Wirbelsturm gleich, randalierend durch unseren Verkaufsstand zog und eine Spur der Verwüstung hinter sich ließ, die erst an einer zerborstenen Türglasscheibe in dessen Wohnung ihr Ende fand, beschlossen wir unsere Verkaufsaktivitäten anlässlich jenes Marktes einzustellen.
So das war er, der Rückblick auf das Stammtischjahr 1990, in welchem außer den erwähnten Ereignissen noch so manch' andere Aktion gelaufen ist. Doch lasse ich diese hier unerwähnt, da dieser Bericht ja kurz und kompakt sein soll.
Ciao und auf Wiedersehen an gleicher Stelle, wenn das Jahr 1991, das uns auch so manches Stammtischhighlight - Stichwort: fußballerische Glanzleistungen - geliefert hat, etwas genauer unter die Faßbierlupe genommen wird.
 
 

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