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Fahrt nach Lüneburg -
Mehrtagesfahrt der
Superlative
Auch
im letzten Fassbierjahr haben sich wieder einige Stammtischmitglieder
aufgemacht, ein weiteres Fleckchen Erde zu erkunden. Diesmal führte sie ihr Weg
ins schöne Lüneburg - nein, nicht die Stadt mit dem Marzipan! Die fängt zwar
auch mit "Lü" an und stand mit im Wettbewerb um das Ausflugsziel,
aber trotzdem fiel die Entscheidung auf Lüneburg - eine Stadt, nach der man,
wie ja jeder weiß, seinerzeit sogar eine ganze Heide benannt hat.
Schon zu
Beginn der Fahrt war eine logistische Herausforderung zu meistern. Wegen des
etwas unglücklich abgestimmten Fahrplanes der Deutschen Bahn AG war es nämlich
nicht möglich, den Startpunkt des Ausfluges in Münster zu platzieren, sondern
die Reiseteilnehmer mussten inklusive Gepäck und Reiseproviant, der von ein
bisschen Fleischwurst, Brötchen und Senf abgesehen vornehmlich aus Dosenbier
bestand, ins ferne Dieburg chauffiert werden. Dies ist eine gute Gelegenheit, um unseren
Chauffeusen noch mal Dank auszusprechen. Also: Noch mal Danke!
Traditionell
wurde kollektiv die erste Dose vor dem eigentlichen Reiseantritt geleert und auf
ein paar hoffentlich lustige Tage angestoßen. Die Strecke Dieburg-Darmstadt
mussten die Ausflügler im Stehen bewerkstelligen, da der Zug mal wieder
ordentlich voll war. An dieser Stelle kann aber noch nicht von einem Superlativ
gesprochen werden, da sich unser Bewegungsraum - im Vergleich zur Zugfahrt nach
Bamberg vor einem Jahr - wie der eines Ballsaales ausnahm. Gottlob hatten wir für
die weitere Fahrt Sitzplätze reserviert. Die Zeit bis zur Ankunft des
Anschluss-Zuges nutzte Stammtisch-Kassenwart Andy P. dazu, die Ebbe in der
Stammtischkasse durch einen kleinen Deal aufzubessern. Zu ihm hatte sich nämlich
am Bahnsteig ein Mann gesellt, der ganz darauf erpicht war, Andys Dose zu
ergattern. Da er es ersichtlich eilig hatte und sich auch nicht von der Tatsache
abschrecken ließ, dass Andy die Dose schon zur Hälfte ausgetrunken hatte,
scheute Andy sich nicht, ihm den Höchstpreis von 5 DM, was zu damaliger Zeit in
etwa 2,50 € entsprach, abzuknöpfen. An dieser Stelle kann man schon von einem
Superlativ sprechen. Mir ist nicht bekannt, dass jemals ein höherer Preis für
eine halbleere (oder für die ewigen Optimisten unter Euch: halbvolle) Dose
zweifelhaften Inhaltes erzielt worden wäre.
Die
folgende Zugfahrt verlief eigentlich relativ unspektakulär. Zuerst wurde
gemeinsam gefrühstückt und anschließend wechselten die meisten Stammtischler
ins Bistro, während ein paar wenige in dem nach Fleischwurst und Bier
riechenden Abteil zurückblieben, um auf das Reisegepäck sowie das verbliebene
Dosenbier aufzupassen.
Der
Ankunft um die Mittagszeit schloss sich sogleich ein Fußmarsch durch die
Innenstadt zum Hotel an. Es handelte sich um das Hotel "Bargeldturm",
das - und wieder ein Superlativ - zwar die teuersten Zimmer hatte, die man sich
jemals auf einem Stammtischausflug gegönnt hatte, das aber dennoch kurz darauf
schließen musste und dessen Besitzer jetzt wahrscheinlich im Hotel
"Schuldturm" sitzt.
Der
Rest des Tages ward den Lüneburger Sehenswürdigkeiten gewidmet. Die
bildungshungrigen Stammtischler besuchten zunächst die - Achtung: wieder
Superlativ - älteste Lüneburger Brauerei, gesponsert von der - Achtung: schon
wieder Superlativ - größten deutschen Brauerei und entdeckten schließlich
beim Streifzug durch Lüneburg sodann den - Superlativ - ältesten Lastkran Lüneburgs.
Das Allgemeinwissen mal wieder ordentlich aufpoliert, suchte der Stammtisch dann
Zuflucht in einer Brauereigaststätte, wo dann auch Nachzügler Claus M.
nach einer durch und durch professionellen Handynavigation dazustieß. Angetan
von der recht kreativen Speisekarte und dem wohlschmeckenden Haustrunk beschließt
man, den Rest des Abends in dieser Gaststätte zu verweilen. Einzig und allein
Andy P. machte keinen so glücklichen Gesamteindruck. Dies änderte sich dann
aber wieder, nachdem er für einen längeren Zeitraum die Toilette aufgesucht
hatte. Auch hier haben wir es mal wieder mal mit einem Superlativ zu tun. Mir
ist nicht bekannt, dass es jemals auf einem Stammtischausflug einen früheren
Zeitpunkt gegeben hätte, an dem sich Andy via Rückwärtsperistaltik oral von
seinem Mageninhalt getrennt hätte - sonst hatte er wenigstens bis zum zweiten
Tag durchgehalten. Doch liegt es dem Autor fern, sich hier in Sachen
Schadenfreude detailliert auszutoben, weswegen ich jetzt auch sofort weiter
fahre.
Da
nun auch Sport bei den Faßbierfreunden groß geschrieben wird, kehrten sie auf
dem Rückweg ins Hotel in ein Billard-Bistro ein (Anmerkung: Mir ist übrigens
kein anderer Stammtisch bekannt, der Sport klein schreibt. Wie sieht das denn
aus? Kostprobe gefällig? Hier: "sport" - komisch, oder?). Jedoch
bedingt durch den vorhergehenden Bierkonsum wirkten die gezeigten Leistungen
nicht sehr beeindruckend und ließen den Eigentümer um die Stoff-Bespannung
seiner Billard-Tische fürchten.
Am
nächsten Tag stand nach dem - Superlativ - größten Frühstücksbuffett der
Stammtischgeschichte die Besichtigung des - Superlativ - weltgrößten
Schiffshebewerks auf dem Plan. Die Fahrt zum Elbe-Seitenkanal, wo das Hebewerk
Augenzeugen zufolge zum letzten Mal gesehen worden war, wurde mit einem Bus des
öffentlichen Personennahverkehrs bewältigt. Die Fahrt verlief eigentlich
reibungslos, wenn man mal von den Diskussionen mit dem Fahrer absieht, der nicht
so leicht davon zu überzeugen war, dass er 30jährigen Studenten aus Darmstadt
eine 50-prozentige Ermäßigung auf 2,70 DM Fahrpreis geben sollte. Während der
Fahrt wurde die Stammtischgruppe intensiv von einem älteren Herrn beobachtet,
der sich später als Hesse outete und der anhand der im Bus gesprochenen Mundart
auf die Faßbierfreunde aufmerksam wurde. An der Zielhaltestelle angekommen
trennten sich jedoch gleich wieder die Wege, sodass er nicht mehr dazu kam,
seine lange und sicherlich auch bewegende Lebensgeschichte zu erzählen. Nach
der Besichtigung des monumentalen Bauwerks und einer fundierten Recherche im
angrenzenden Info-Point war dann erst mal wieder Gemütlichkeit angesagt und
zwar unter freiem Himmel, weil Petrus es mal wieder gut mit uns meinte. Wohl genährt
erfolgte im Anschluss die Rückfahrt mit dem Bus und anschließend ein
Saunaaufenthalt (für die, die in der Miniatursauna Platz fanden) und ein gemütliches
Mittagsschläfchen.
Das
Abendessen wurde ebenfalls unter freiem Himmel eingenommen. Während die
Bedienung eine Runde aufs Haus spendierte, entging dem wachsamen Auge jedoch
nicht, dass zwischendurch der Koch klimpernd am Tisch vorbeihuschte. Das
Klimpern wurde nicht von irgendwelchen Töpfen oder Pfannen verursacht, die er
von Berufs wegen mit sich trug, sondern von den zahlreichen Nasen-, Zungen-,
Ohren- und was weiß ich noch was für Piercings, die er hatte. Beim Essen war
also Vorsicht angesagt. Man weiß ja nie, wie locker so was sitzt und wer möchte
schon seinem Zahnarzt erklären müssen, dass er sich seinen Backenzahn an einem
Piercing kaputt gebissen hat. Diese Aussage lässt, je nach Phantasie des
Zahnarztes, Raum für die verschiedensten Interpretationen. Beim Bummel durch
die Straßen fiel dann ein Keller auf, aus dem Rauch aufzog. Näheres Hinsehen
ergab dann, dass es dort nicht brannte, sondern dass es sich um ein „Irish Pub“
handelte, dessen Insassen nun mal gerne Tabak und vielleicht auch andere Kräuter
inhalierten. Es dauerte auch gar nicht so lange, bis sich die Augen an den Qualm
gewöhnt hatten und schon erspähten einige treffsicher einen Automat mit
Videospielen, der letztendlich beim Verlassen des Lokals in fünf Spielen im
Highscore den Namen "Faßbierfreunde" ganz oben aufweisen sollte. Nun
ist es ja kein Wunder, dass in solch einer Räucherstube die Agentinnen der
Tabakindustrie nicht fehlen dürfen. So begab es sich also, dass zwei junge,
gutaussehende Frauen in "Benson & Hedges"-Mänteln den Pub
betraten. Beim Anblick der herannahenden PR-Luder gab Rainer sogleich die
Parole aus "Sofort alle Rauchen! Gleich gibt's was umsonst!". Obgleich
nur er selbst und der Gastreisende Dominik seinem Aufruf folgten, wurden drei
Stammtischler von den Damen aufgefordert, an einem Quiz der Couleur "Wer
wird Millionär" teilzunehmen, welches Hobby-Alchemist Rainer bei der
Stechfrage souverän für sich entscheiden konnte. Als es dann an die
Preisverteilung ging erhielt Dominik als "Benson &
Hedges"-Stammraucher erst mal eine neue Schachtel seiner Marke und ein
nachfüllbares Gasfeuerzeug. Angesichts solch üppiger Reichtümer, die unsere Gönnerinnen
zu verteilen hatten, fieberte Quizgewinner Rainer mit funkelnden Augen seiner
Preisübergabe entgegen. Schließlich hatte er dann die Wahl zwischen einem
silberfarbenen B&H-Ring oder einem güldenen B&H-Fächer. Außer sich
vor Freude wählte Rainer dann nach langem Zögern den Fächer, bedankte sich
tausendfach auf Knien und wünschte den edlen Spenderinnen ein langes und
gesundes Leben fernab von jeglichem Lungenkrebs. Nach dem Verstreichen einer
gewissen Zeit ward man sich einig, dass an diesem Abend wohl keiner mehr den Pub
betreten würde, um etwas zu verschenken und trat den Heimweg an mit
obligatorischer Einkehr im Billard-Bistro und obligatorischer Schändung der
Tischbespannung. Dem Drängen eines Stammtischlers, noch kurz einen Blick in das
neben dem Pub angrenzende Etablissement zu werfen, wurde angesichts der
furchterregend aussehenden Hausherrin, die sich im Eingang postiert hatte, nicht
nachgegeben.
Am
nächsten Tag stand schon wieder die Abreise auf dem Plan, sodass für diesen
Tag von der Reiseleitung auch kein Programm vorbereitet worden war. Diesmal
wurde den Faßbierfreunden ein Separee gleich neben dem Frühstücksraum
zugeteilt. Dort wurde beim - Superlativ - allerletzten Frühstück folgender
Dialog mitgehört:
Bedienung
1: "Soll ich nachher die Stühle wieder anders hinstellen?"
Chef-Frühstückskellner:
"Lass' mal, hier wird eh nie wieder jemand frühstücken!"
Im
Bewusstsein der Geschichtsträchtigkeit dieses Frühstücks - zumindest in der
Geschichte des "Bargeldturmes" - machte sich die Reisegesellschaft auf
den Weg Richtung Bahnhof, schloss dort das Gepäck ein und nahm noch ein kleines
Mittagessen und ein paar Bierchen in der - Superlativ - besten Brauereigaststätte
Lüneburgs ein.
Auf
der Rückfahrt dösten die meisten Reiseteilnehmer im Abteil vor sich hin.
Gelegentlich wurde die Stille mal unterbrochen, wenn Rainer Lagerfeld mit seinem
güldenen Fächer
versuchte, Boni (den Großen) am Kopf zu treffen, was ihm aber meist
misslang und ein Ende hatte, nachdem der Fächer zerbrochen war. Erwähnenswert
ist auch noch Andy P., der versuchte, eine Tüte mit gelatierter Kaumasse in
Geschmacksrichtung "Tiroler Nussöl" an den Mann zu bringen. Dies stieß
jedoch nicht nur bei den Stammtischlern sondern auch bei den übrigen Fahrgästen
im Abteil (so sie denn mutig genug waren, länger zu bleiben) auf heftiges
Nasenrümpfen.
Alles
in allem war es auch diesmal wieder ein rundum gelungener Stammtischausflug und
es bleibt zu hoffen, dass uns auch bei unserer Freiburg-Fahrt derart viele
Superlative beschieden sein mögen.
Und
nun für die, denen das Geleit nicht Poesie genug war:
Der
Andy in der Kneipe zecht,
trinkt
solang' Bier, bis dass ihm schlecht.
Sagt
"Ich muss pinkeln" - tut dann so,
umarmt
dann vehement das Klo.
Er
ist und bleibt ein toller Hecht.