Reise

 

Würzburg 2008 - "Hier bestelle mer so, wie die Klöß’ gemacht wer'n! -
Oans noch em oannern!"

 

Nach dem kräftezehrenden Stammtischausflug nach Mallorca anno 2007 wollten wir es diesmal etwas ruhiger angehen lassen und so viel die Wahl auf die Beamtenstadt in Unterfranken. Wer sich auf der A3 im Würzburger Raum schon mal an einem Stau anstellen durfte, wird es kaum glauben, dass man die viertgrößte Stadt Bayerns in annehmbarer Zeit von Aschaffenburg aus mit der Bimmelbahn erreichen kann. Während sich der Zug durch den Spessart schlängelt, passiert man dann Örtlichkeiten wie z.B. Wiesthal, Partenstein und Retzbach-Zellingen - alles Namen von überregionaler Bedeutung, die jedem sofort ein Begriff sein dürften.

Freitag:

Bedingt durch berufliche Zwänge musste sich die Reisegruppe in den Hauptteil, den Freitag-Nachzügler-Teil und den Samstag-Nachzügler-Teil aufspalten. Die Hauptgruppe startete schon so früh, dass sie noch in der Obhut der Sonne den ein oder anderen Biergarten inspizieren konnte. Beseelt vom Alkohol entschlossen sie sich, ihren Stammtischbruder Rainer, der derweil durchgesmst hatte, dass er sich im Zug nach Würzburg befindet, wissen zu lassen, wie sehr sie ihn vermissen, indem sie ihm dies durch die ein oder andere SMS-Attacke bekundeten. Nachdem Rainer dann bei bereits eingebrochener Dunkelheit Würzburg erreicht hatte, versuchte ihn der Rest, mit dem Handy zum Hotel zu navigieren - goldene Zeiten für die Mobilfunkbetreiber! Als er dann mehrfach das Areal einer kirchlichen Liegenschaft (und kirchliche Liegenschaften in Bayern sind stets groß!) abgeschritten hatte, sich aber das anvisierte Hotel nicht finden lassen wollte, entschloss sich Rainer dann, die doch sehr vagen Hinweise seiner angetrunkenen Stammtischbrüder mit Angaben von Passanten zu ergänzen, sodass er letztlich doch im Hotel ankam und dort von einem freundlichen Backenbartträger mit einem Stadtplan ausgestattet wurde, um sich seinen Gefährten anschließen zu können.

Nach einer ausgiebigen Stärkung mit fränkischen Spezialitäten ging's dann weiter in eine Cocktailbar, wo die Reisegesellschaft aber aufgrund der üblichen Cocktail-Bar-Musik nicht lange verweilte, sondern ins benachbarte Pub wechselte. Dort unterhielt ein einsamer Kämpfer, nur mit einer Akustikgitarre behängt, die Massen. Eine Bedienung ließ uns wissen, dass dies die letzte Musik-Veranstaltung in diesem Pub sein würde. Merkwürdig - das war nicht das erste Mal, dass etwas das letzte Mal war, nachdem die Faßbierfreunde dort waren (ich erinnere nur an das Hotel in Lüneburg ...). So ist es halt!

Nachdem die Musik dann letztmalig verklungen und der ein oder andere Whisky verkonsumiert war, beschlossen die letzten Verbliebenen den Heimweg anzutreten. Vor dem Hotel stellten wir dann fest, dass sich dort ebenfalls ein Pub befand, das noch offen zu sein schien. Dem Rat der Gesellschaft für Ernährung folgend, kleine Mahlzeiten und dafür über die Nacht verteilt zu sich zu nehmen, beschlossen vier nimmermüde Kameraden, das Pub zu inspizieren. Dort wurden sie sogleich von einer kauzigen Person begrüßt, die dann sogleich darauf hinwies, dass das bayrische Rauchverbot in diesen Räumen und um diese Zeit keine Gültigkeit habe. Schließlich stellte sich heraus, dass der wie ein chronischer Tresensteher anmutende Typ tatsächlich kein kontaktsuchender Wichtigtuer, sondern der Chef des Ladens war.

Aufgrund der vorgerückten Stunde war er leider nicht mehr im Stande, die Getränke- und Essensbestellung gleichzeitig aufzunehmen. Versuche unsererseits, die Sache zu beschleunigen, wurden sofort mit Weisheiten wie "Des mache mer so wie die Klöß' gemacht wer’n - oaner nach em oannern! Erst mache mer die Getränke, dann es Essen!". Nun ja - man ist ja flexibel!

Die Zeit bis zur Lieferung der Burger mit Pommes vertrieben sich die vier Stammtischler mit der Diskussion für und wider der Sinnhaftigkeit von Familienfotos am Autobahnrand, die mit Kreuzen und einem Spruch versehen sind. Ein Thema, das sich quasi aufdrängt spät nachts und unter dem Einfluss etlicher Promille unbedingt erörtert werden sollte. Irgendwann war es dann soweit und das Essen kam. Nun sagt man ja, dass aufgrund des Salzgehaltes in der Nahrung sich ableiten lässt, ob der Koch verliebt ist. Wenn da was Wahres dran ist, dann wäre der Koch seinerzeit der Vielweiberei zu bezichtigen gewesen, derart versalzen waren die Pommes.

Samstag:

Zunächst einmal stand Kultur auf dem Programm. Stellvertretend für die ca. 58 Kirchen vor Ort wählten wir die vor unserem Hotel aus. Während ein Teil der Gruppe eintrat, beschloss der andere Teil die Kirche von außen zu besichtigen und somit die zehn Minuten, die die anderen im Inneren verbrachten, in der Sonne zu verweilen. Alsbald ging es weiter in den Hofgarten der Residenz, von wo wir dann zur Feste Marienberg aufbrachen.

Der Aufstieg zu diesem geschichtsträchtigen Ort wurde begleitet vom vehementen Schnaufen und Wehklagen des ein oder anderen Weggefährten. Endlich oben angekommen wurden wir mal wieder Zeuge des weltweit soviel gepriesenen deutschen Organisationsvermögens. Ein einziger Kassierer versuchte, die Horden hungriger und durstiger Marienbergbezwinger abzukassieren und nebenbei noch Bier und andere Getränke zu zapfen. Es spielten sich dramatische Szenen ab. Menschen stellen sich, von Hunger geschwächt, erst bei der Essensschlange an, um sich dann noch mal an der Kasse ganz hinten anzustellen. Rentner befürchteten, ihren Lebensabend in der Schlange beenden zu müssen, der Raum war erfüllt vom Klappern der Tabletts der völlig unterzuckerten Gäste. Die Situation drohte zu eskalieren, als der Versorgungstrupp der Faßbierfreunde zehn Bier orderte und ungefähr nach der Hälfte das Fass leer war, sodass der Kassierer zunächst seinen Posten aufgeben musste, um ein neues Fass zu besorgen.

Heilfroh darum, mit dem Leben davongekommen zu sein, verließen wir die Festung, um uns in einem etwas weniger gut besuchten Biergarten auf den Abend vorzubereiten. Zwischenzeitlich waren die Nachzügler Andy und Heiko im Hotel angekommen. Aufgrund der präzisen Wegangaben von Rainer, der ja am Vorabend die ganze Umgebung abgelaufen war, gestaltete sich für die beiden der Weg vom Bahnhof zum Hotel weniger beschwerlich.

Da im „Havannas" der Tisch für's Abendessen noch nicht frei war, verbrachten wir noch einige Minuten vor der Kneipe, wo wir ins Visier eines Junggesellinnen-Abschiedes gerieten. Die Damen ließen sich auch nicht durch schmeichelhafte Anmerkungen eines Fahrtteilnehmers wie „Ooops - was wiegt denn die Braut so?" oder „Musst Du eigentlich heiraten?" nicht beirren und veräußerten die angehende Braut für ein paar Dienstleistungen und ergatterten noch das ein oder andere Unterhosenschild (wie immer auch der Betroffene jetzt wissen soll, bei wie viel Grad er das Teil waschen darf ...).

Nach erfolgter Speisung ersuchten wir bei der Bedienung Rat, wo denn abends noch was los sei. "Auf jeden Fall sollte man später noch aufs „Boot" "- so ihre Aussage. Was nicht bedacht wurde, war, dass diese Aussage von einem Mädel getätigt wurde, dass in etwa halb so alt war, wie unsere ältesten Fahrtteilnehmer und die solche Locations wohl unter anderen Gesichtspunkten bewertet. Zunächst aber musste Flüssigkeit aufgenommen werden und das bot sich in einer nahe gelegenen Brauereigaststätte an. Das Bier war gut - leider konnte man das von der Musik nicht behaupten. Um etwas Kontrastprogramm zu haben, wurden zwei Taxis geordert und es ging ins „Labyrinth". Dort wurde dann mit wehenden Haaren zu Heavy-Metal ein wenig abgegrunzt. Allerdings war das Sitzmobiliar dort so bequem, dass einige von uns sofort auf der Stelle eingeschlafen sind.

O.k. - ein Ortswechsel musste her! Die Zeit war derweil so weit fortgeschritten, dass man nun das „Boot" aufsuchen konnte. Flugs wurde ein Taxi herbei gewunken. Die Nennung unseres angestrebten Zieles sorgte jedoch beim Fahrer für Verwirrung. „Wo soll ich Euch hinfahren? - Ins „Boot"? Die fragen Euch dort, ob ihr zum Sterben kommt! Die sind doch alle maximal Anfang 20!" Etwas bedrückt über diese harten Tatsachen warfen wir die Planung der Nacht über den Haufen und beschlossen, unserem Alter entsprechend eine Ü30-Party aufzusuchen.

Dort angekommen mussten wir allerdings feststellen, dass die meisten wohl in Aufbruchstimmung waren. Wen wundert's ... Leute jenseits der 30 sind nun mal nachts um 3 Uhr müde! Schließlich tranken wir noch das ein oder andere Bier und bestaunten, dass man mit genügend Promille auch als Solist auf der Tanzfläche ausdrucksstark zu "Stairway to Heaven" abtanzen kann. Mit dem Verklingen der letzten Akkorde traten wir den Nachhauseweg an. Nun galt es zu beweisen, dass unser Domizil von der Ü30-Party aus auch gut zu Fuß zu erreichen war. Nach einigen Orientierungsproblemen gelang uns dann auch der Rückmarsch. Zwei aus unserer Runde kehrten noch in einer Diskothek ein, wovon einer dann gleich einen Sitzplatz ergatterte und ein gediegenes Schläfchen machte.

Sonntag:

„Am siebten Tage sollst Du ruh’n!" – diesen Spruch verinnerlichend schlenderten wir am Main entlang, studierten, wie Schiffe den Main hoch und runter geschleust wurden und sahen schließlich den Kart-Nachwuchsfahrern beim Wettkampf zu.

Auf der Rückfahrt war der/die Einzige, der/die den Kanal gestrichen voll hatte, unsere Zugtoilette, was bei einigen Mitreisenden mit dringendem Bedürfnis für Ungemach sorgte. In Aschaffenburg angekommen, suchte ein Teil der Reisenden noch den Biergarten Schönbusch auf, um die Trennung vom Bier nicht so abrupt zu gestalten. Alles in allem kann man festhalten: Würzburg ist sicherlich eine (Stammtisch-)Reise wert.

 

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