Reise

Berlin, Berlin, wir fahren nach …. - ähem, Moment mal ...


werden sich sicherlich einige sagen. Schon wieder Berlin? Da war'n die doch erst unmittelbar vor der Jahrtausendwende? Ha­ben die derweil alle alternativen Ziele abgeklappert, sodass sie wieder von vorne anfangen müs­sen? Oder sind die schon so se­nil, dass sie es einfach nicht mehr wissen, dass sie bereits in Berlin waren?
Um es vorweg zu nehmen – die Antworten lauten: Ja, ja, nein, nein. Der Grund war organisato­rischer Art, weil wir in unseren Reihen Berufsgruppen haben, die grundsätzlich über sehr viel Ur­laub verfügen, allerdings um den Preis der Unflexibilität, was das Nehmen des Urlaubes angeht. Und da sich einer unserer Lehrer eh schon zum basisdemokratisch festgelegten Fahrtzeitpunkt auf einer Klassenfahrt in Berlin be­fand, sind wir halt, der Einfach­heit halber, auch dahin gefahren. Außerdem waren ja auch derweil ein paar Jährchen ins Land gezo­gen und es war davon auszuge­hen, dass sich die Hauptstadt vielleicht doch an der einen oder anderen Ecke verändert hat und wir es bei unserem ersten Be­such ja auch nicht geschafft hat­ten, alle Locations aufzusuchen.

Es unserem Pädagogen gleich tuend, verbanden zwei weitere Stammtischmitglieder das Sinn­lose mit dem Unnützen und plat­zierten im Vorfeld einen Ge­schäftstermin am Zielort, sodass für die Hinfahrt nur noch ein Grüppchen von 7 Leuten übrig war, die die Zugreise von Hanau ab antraten. Der Exil-Badenser Bernd K. aus H. bewerkstelligte die Anreise mit dem Flugzeug aus Baden-Baden. Warum auch nicht – wenn der deutsche Steu­erzahler schon jede Menge Regi­onalflughäfen am Leben erhalten muss, dann sollte man diese we­nigstens auch ab und an mal be­nutzen.
Also sieben Mann und eine Frau (die ebenfalls nach Berlin wollte) stiegen pünktlich um 8:30 Uhr in den Zug, um dort zunächst das seit Jahren etablierte Fleisch­wurstritual zu zelebrieren. An dieser Stelle sei unserem Hohe­priester Andy B. gedankt, der sich darum gekümmert hatte, dass die Zeremonie in altbekannter Weise stattfinden konnte. Da es sich um einen Freitag han­delte und der Zug auch noch als Ziel Berlin hatte, war es nicht verwun­derlich, dass dieser prop­penvoll war (Ich möchte hier am Rande auf die gute alte TITANIC-Meta­pher „Leben in vollen Zü­gen“ ver­weisen). Den Hauptteil der Rei­senden stellten zweifels­ohne weibliche Mitbürgerinnen, die das halbe Jahrhundert schon voll hatten und sich ihr Ge­schnatter gegenseitig erträglich machten, indem sie in regel­mäßi­gen Ab­ständen durch den Kon­sum von Sekt (auch Puffbrause genannt) den Alkoholspiegel auf konstan­tem Pegel hielten.


Die Reisegruppe beim Trinken...

Irgendwann erreichte dann der Sektgehalt der Luft die kritische Masse, sodass die ersten Fahrt­teilnehmer davon Sodbrennen bekamen. Deshalb suchten sie Schutz im Bistrowagen – dort ist es nicht gestattet, mitgebrachte Getränke zu verzehren und ich habe auch noch nie erlebt, dass sich jemand eine Flasche Sekt im Bistro der Bahn gekauft hätte (die Preise dürften wohl ähnlich sein wie in einem „Amüsierbe­trieb“). Um nicht die Existenz­grundlage des Aufenthaltsrech­tes im Bistro zu verlieren, ließen sie sich dieses durch das Nach­ordern von Bier regelmäßig ver­längern. Die Fahrt endete im Ber­liner Hauptbahn­hof, wo sie von ihrem Guide in Empfang genom­men und auf ein Willkommens­bier zum Spreeufer geleitet wur­den. Das Schöne an dieser Loka­lität in der Nähe des Hauptbahn­hofs ist dieses Ur­sprüngliche, kaum Touristenhafte und dass man gar nicht das Ge­fühl hat, abgezockt zu werden.
Glücklicherweise fand an diesem Wochenende ausnahmsweise ein Event in Berlin statt, sodass am Brandenburger Tor eine ganze Batterie von Dixi-Häuschen und Fressbuden aufgebaut war. Diese nahmen wir auch dankend in An­spruch (erst die Häuschen, dann die Buden).
Alsdann ging es weiter. Schnell noch ein Gruppenfoto am „Tor“, dann wurde das Stelenfeld be­sucht und letztlich das Gepäck bei der Unterkunft in Berlin-Fried­richshain abgeladen.


...die Reisegruppe beim Essen...

Derweil waren die Teilnehmer auch komplett und weil sie schon so lange nichts gegessen und ge­trunken hatten, beschloss man das Abendmahl zu sich zu neh­men. Die Wahl fiel auf das Res­taurant „Kuchenrausch“ in der Nähe des Hotels. Der Name impli­ziert jetzt vielleicht beim ein oder anderen etwas, was nicht wirklich so ist, wie man es denkt, oder was er glaubt, damit zu verbinden, oder … - machen wir es kurz: Im „Kuchenrausch“ gab es keinen Kuchen, sondern das, was man in unseren Gefilden als „gutbürger­liche Küche“ bezeich­nen würde.
Da ja nun schon mal Hausmanns­kost angeboten wurde, orderten die meisten die Rouladen, die auf der Karte standen, mussten dann aber feststellen, dass sie sich letztlich in Ostberlin befanden und bekamen ein „Hammer nich mehr!“ zur Antwort – ach ja … wie zu Erichs Zeiten …
Egal, andere Speisen von der Kar­te waren verfügbar, sodass kei­ner hungrig den Rest des Abends angehen musste. Zu er­wähnen wäre noch, dass ein Reiseteilneh­mer bezüglich der Nahrungsauf­nahme eine Extratour veranstal­tete und sich einen „Vöner“ ge­nehmigte. Demjenigen, der jetzt nicht so wirklich bei den Begriff­lichkeiten des Paleo-Lacto-Ve­gan-Und-Was-Weiß-Ich-Noch-Al­les-Sektors firm ist, sei ergän­zend ge­sagt, dass es sich um ei­nen vega­nen Döner handelte (ein „Vöner“ halt), so­was kann durch­aus schmackhaft sein – muss es aber nicht. In diesem Falle war wohl letzteres der Fall.
Den Rest des Abends wollte man sich von den Strapazen des Tages erholen und bei schwermetalli­scher Musik - wie der Lateiner sagt - ein bisschen „chillen“. Das erfolgte zunächst in der „Bretter­bude“ und dann, nachdem derje­nige, der immer früher heim­geht, heimgegangen war, im „Rockcafe Halford“. Diesen Tipp hatten wir von einem Gönner des Stamm­tisches. Irgendwann brach dann die kollektive Müdig­keit aus, was dazu führte, dass die meisten ihre Schlafstätte auf­suchten.
Zwei unerschrockene jedoch brauchten noch etwas Nerven­kit­zel und begaben sich zum RAW (ReichsbahnAusbesserungs­Werk). Entgegen dem, was man bezüglich dieses Areals so in der Presse liest, wurden sie nicht aus­geraubt und es wurde ihnen auch kein Messer in den Hals ge­sto­chen.
Entsprechend waren dann alle beim Frühstück am nächsten Tag komplett und wohlauf. Gestärkt ging es zu den „Hackeschen Hö­fen“.
Bedingt durch die anstrengenden Aktivitäten des Vorabends kam bei einigen schnell der Wunsch auf, sich zu setzen – am besten auf weißes Porzellan mit Wasser­spülung. Geeignete Sitzgelegen­heiten fanden sich beim „Wei­henstephan“. Dort gab es auch schöne konventionelle Sitzgele­genheiten draußen an der Son­ne. Dass das Lokal erst um 11 Uhr offiziell öffnete während die Fahrtteilnehmer schon eine Vier­telstunde früher mit den Hufen scharrten, störte nicht. Die Ange­stellten ließen sie gewähren und es sollte auch nicht zu der Ange­stellten Schaden sein – die Kom­ponenten Sitzplatz, Sonne, Bier und Geselligkeit führten dazu, dass recht lange verweilt und entsprechend gegessen und ge­trunken wurde.


...die Reisegruppe wieder beim Trinken...

Wie heißt es doch in dem schö­nen deutschen Volkslied „Eine Spreefahrt, die ist lustig, eine Spreefahrt die ist schön, ...“ - naja, stimmt nicht ganz, brauch‘ ich aber für die Überleitung. Der nächste Programmpunkt war nämlich die berühmte 50-Brü­cken-Fahrt. Dies ist eine Schiff­fahrt auf der Spree und allem, was so wassermäßig dranhängt. Den Hinweis, dass einige Brücken sehr niedrig sind und man bitte sitzenbleiben möge, kann man durchaus als berechtigt ansehen. Möchte man in suizidaler Absicht aufgrund eines zerschmetterten Schädels aus dem Leben schei­den, empfehle ich, diese Fahrt bei leicht erhöhtem Wasserstand an­zutreten und dem Steuermann beim Passieren einer Brücke ste­hende Ovationen zu zollen. Inte­ressant war auch, zu erfahren, dass die Grundstückspreise in Berlin nur knapp über denen im Odenwald liegen … .
Bei der Rückkehr wurde die Grup­pe am Anlegesteg von ei­nem Münsterer Auswanderer be­grüßt. Mit dem zischten sie das ein oder andere Bierchen und versorgten ihn mit dem aktuellen Klatsch aus der Heimat.
Das Abendessen wurde bei ei­nem Inder mit dem passenden Namen „Salt and Pepper“ einge­nommen. Die Wahl dieser Ört­lichkeit erwies sich als sehr glücklich – saßen doch alle auch unmittelbar vor „dem Örtchen“ - ein Umstand, der vielen der Rei­segruppe zupasskam und die diese Gelegenheit gerne nutzten.
Anschließend gingen der, der im­mer zuerst geht, und noch zwei andere zum Hotel zurück, wäh­rend der Rest den Kick beim er­neuten Durchqueren des RAW suchte und im Anschluss die „East Side Gallery“ besichtigte. Ein Bierchen noch auf dem Rück­weg und dann ging es ab ins Bett.
Der nächste Tag begann mit dem Auschecken und der logistischen Herausforderung, das Gepäck aus dem Hotel zu holen und an­schließend so unterzubringen, dass man zum einen sich nicht damit belastet, aber auch zum anderen, einem diese Last nicht durch einen der in Berlin reich­lich vorhandenen Kleinkrimi­nel­len ab­genommen wurde. Als Königsweg erwies sich die In­vestition in ein Bahnhofsschließ­fach. So, von unnötigem Ballast befreit, war es etwas einfacher, noch die Mauergedenkstätte Ber­nauer Straße zu besichtigen.


...doch irgendwann sind Durst und Hunger gestillt!

Weiter ging die Besichtigungs­tour dann auf Europas größter inner­städtischer Volleyballan­lage, wo man mit einem Bier in der Hand und auf einer specki­gen Couch sitzend den Akteuren zuschaute.
Doch irgendwann neigt sich jede Reise mal dem Ende entgegen - so auch in diesem Fall. Also musste schnell noch eine Gele­genheit zur Stärkung vor der Zug­fahrt gefunden werden, weil, wie ja jeder „Neues aus Stenkelfeld“-Hörer weiß: „Die Bahn steht am unteren Ende der Nahrungsver­wertung“. Und auch hier war es eine Fügung des Schicksals, dass am Alexanderplatz gerade Fress­buden aufgebaut waren, obwohl Weihnachten noch weit entfernt war. Wie sich herausstellte, fand gerade das traditionelle Oktober­fest statt.
Nach dem Besuch dieser Ur-Ber­liner Tradition ging es zum Zug und dort für manche direkt ins Bistro, in dem sie bei der ein oder andere Runde Bier das ge­meinsam verbrachte Wochen­ende nochmal Revue passieren ließen.
In Hanau angekommen, wurden sie dann dankenswerter Weise abgeholt und zwar von dem, der immer früher heimfährt.
Alles in allem kann man sagen: Berlin ist eine Reise wert und obwohl der Stammtisch jetzt schon zweimal innerhalb von nicht mal zwei Dekaden dort war, soll es dort immer noch Dinge geben, die es zu erkunden gilt.

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