Reise

 

Freiburg - Stadt der Bürger, Wirtschaft und Touristen

 Diese Selbstbeschreibung der Stadt Freiburg auf ihrer offiziellen Homepage lässt kaum Fragen offen - wenn man denn überhaupt welche hat! In unserem Falle war es tatsächlich so, waren wir doch mal wieder auf Suche nach einem lohnenden Mehrtagesausflugsziel. Angeregt durch unseren Exilhessen Bernd ward schließlich das Augenmerk auf die Stadt im Breisgau gerichtet. Zwar gab es in unseren Reihen Skeptiker, die von Berufswegen schlechte Erfahrungen mit den "Spätzlefressern" gemacht hatten und fürchteten, dass diese stets Vorurteile hegenden Kuckucksuhrenbauer unserer Stammtischgemeinschaft nicht mit der gewohnten Toleranz und Weltoffenheit begegnen würden - aber was soll's, schließlich ist man ja tolerant und sollte nichts verurteilen, was man noch nicht ausprobiert hat und sei es mit dem Hintergedanken, um im Nachhinein umso heftiger vom Leder zu ziehen.

Kurzum - geschwind wurde die Freiburger Internetpräsentation unter die Lupe genommen.

Technischer Eindruck:

Schnell, übersichtlich, Mozilla-tauglich => o.k.!

Inhalt: Touristen, Wirtschaft, Bürger.

Na prima! Als Touristen wollten wir ja eh hin, gelegentlich wollten wir eine Wirtschaft aufsuchen und wenn dort das Essen auch noch gut BÜRGERlich ist, dann wird da ja wohl kaum einer was dagegen haben! Also wurde Freiburg offiziell zum Ziel des FBF-Mehrtagesausfluges anno 2002 erklärt.

Andy P. - ein Mann mit Berufsvergangenheit in der Touristikbranche und mehrfacher Freiburgreisender wollte sich um die Unterbringung kümmern. Der gesamte E-Mail-Verkehr zu diesem Thema kann jederzeit bei mir eingesehen werden. Ich will an dieser Stelle nur mal folgendes Zitat einbringen, um später noch einmal darauf Bezug nehmen zu können.

O-Ton Andy P.:

"http://www.hotel-zumschiff.de“ hab ich gefunden ...liegt ungefähr 4km von der Innenstadt entfernt und 800m von einem lokal Bahnhof, evtl. gibt’s da auch noch einige Busse ... alles andere ist dicht ...".

Nun ja! Immer gut, wenn man unter solch zahlreichen Alternativen wählen kann. Offizieller Abfahrtstermin war Freitagnachmittag ab Darmstadt Hauptbahnhof, um den auswärtigen und den notorisch urlaubsklammen Stammtischbrüdern Rechnung zu tragen. Mit Dosenbier bewaffnet wurde die oberste Etage des "Regional-Express" nach Mannheim erklommen, um die Reise dann in Mannheim an Board eines Intercity (ist so was wie ein Interregio - nur ohne Bier) fortzusetzen. Die Bahnreise verlief relativ unspektakulär. Keine verbalen Auseinandersetzungen mit den Bahnbediensteten, keiner, der seinen Koffer öffnen muss, weil sich der Inhalt der darin gelagerten Bierdosen durch Lochfraß von den Socken, oder besser, in die Socken - wenn dafür noch Platz im Koffer war - zu machen scheint. Nein - es ist tatsächlich eine friedliche, bierselige Zugfahrt, bei der sich die Reiseteilnehmer mit Musik, die von innigen Beziehungen zu Meerschweinchen und "sei nett zu alten Leuten" handelt, entspannen.

In Freiburg angekommen ging’s dann gleich mal weiter zur Bushaltestelle, damit wir endlich unser Gepäck aufs "Schiff" bringen konnten. Die Wartezeit bis zum Eintreffen des Busses verbrachten wir mit dem Spiel "Richtige Haltestelle - falsche Haltestelle", bis dann das Objekt unserer Begierde eintraf und uns ein paar Meter hinter unserem Domizil absetzte. So mancher dachte sich während der Fahrt, dass es wohl schwerlich zu schaffen war, nächtens die Strecke von der Innenstadt bis zum Hotel zu Fuß zu bewältigen, bzw. wo denn nun der lokale Bahnhof (siehe Zitat) in 800 Metern Entfernung sein sollte. Vielleicht hat da ja einer was durcheinander gebracht und es gab da nur ein Lokal namens "Bahnhof".

„Gepäck aufs Zimmer, kurz ausruhen und dann gleich wieder in die Innenstadt, aber zack zack!" Diese Devise musste ausgegeben werden, hatten wir doch wieder eine lange Busreise dorthin, von wo wir gerade hergekommen waren, vor uns - vorbei am Hauptbahnhof und den dort zentral gelegenen und zahlreichen Hotels. Die erste Rast wurde dann im "Brauereiausschank Feierling" gemacht. Nachdem wir ein paar Appetizer in Form von vergorenem, aber wohlschmeckendem Gerstensaft zu uns genommen hatten, bestellten wir uns feste Nahrung. Hier muss sich der Autor dann doch von dem auch von ihm gerne verbreiteten geflügelten Wort "Was in Schwaben auf den Tisch kommt, fressen in Hessen sonst nur die Hunde" distanzieren. Es wurde wirklich vorzügliche Küche geboten. Wie meinen? - Ach ja, Herr Oberlehrer? - Freiburg liegt gar nicht in Schwaben? - Na ja, auch gut! Kommando zurück, ich entschuldige mich nicht für obiges geflügeltes  Wort,  sondern  bekräftige es hiermit noch mal! Wohlgenährt machten wir uns alle nach dem Essen auf in den "Schlappen". Moment! Sagte ich alle? Ich muss mich schon wieder verbessern. Fast alle! Denn ein Herr - nennen wir ihn einfach mal Stefan - hatte sich an diesem Tag schon zuviel Strapazen zugemutet und verließ vorzeitig die Gemeinschaft. Besonders beeindruckend im "Schlappen“ waren die sanitären Anlagen. So mancher, der sich im Laufe seines kalorienreichen Lebens einen stattlichen Wanst zugelegt hat und für den der Gang zum Urinal jedes Mal eine Expedition in unbekanntes Gebiet bedeutet, konnte an der Pinkelwand des "Schlappen" Wiedersehen mit seinem "kleinen Freund" feiern. Die Wand, an der man für gewöhnlich sein Wasser abschlägt, war nämlich voll verspiegelt. Anfangs war das irgendwie schon ein komisches Gefühl, fühlte man sich doch von sich selbst beim Pinkeln beobachtet, aber mit jedem weiteren Gang zum Klo gewöhnte man sich immer besser dran. Genauso wie man sich auch an das Skelett und die darum positionierten Ratten unter dem Gitterrost im Waschraum gewöhnte. Muss wohl die ehemalige Klofrau gewesen sein. Jedenfalls deuteten zahlreiche darum herumliegende Münzen darauf hin.

Wenn es irgendwo schön ist, stellt man sich dann immer mal die Frage: „Bleiben wir jetzt hier bis zum Schluss oder schau'n wir mal, ob wir noch woanders landen können?“ In diesem Fall fiel die Entscheidung auf Option zwei und so wurde noch mal Einkehr in einem Irish-Pub gehalten. Beim Eintritt präsentierte sich bereits eine gewisse Leere, aber dazu aufgemuntert vom Wirt, ließen wir uns dann doch nieder. Umso verwunderlicher war es dann, dass urplötzlich die Bedienung unser Dart-Spiel mit stetig steigender Frequenz mittels Wischmob störte und uns somit unmissverständlich zu sagen schien: "Macht endlich, dass Ihr hier verschwindet!" Bevor sie noch dazu übergehen konnte, dem Ersten die Augen auszukratzen, beschlossen wir, das Pub in gegenseitigem Einvernehmen zu verlassen.

Gemeinsam mit uns wurde eine Gruppe Student/Innen vor die Tür gesetzt, die darauf aufmerksam geworden waren, dass wir in unseren Reihen eine Pfeife mitführten. - Nein, das war jetzt keine Wertung eines einzelnen Stammtischbruders. Ich wollte vielmehr damit sagen, dass Andy P. sein Räucherwerkzeug dabei hatte. "Oh! Ihr habt eine Pfeife dabei - dürfen wir uns die mal ausleihen?" - "Sicher!" - "Dürfen wir da auch was anderes drin rauchen?" - "Sicher!" Allerdings trennten sich dann doch unsere Wege sofort. Warum eigentlich? Kann sich da vielleicht noch einer dran erinnern?

Jedenfalls zerfiel die Stammtischgruppe in zwei Teile. In die Weicheier, die sich vom Taxi ins Hotel chauffieren ließen, und in die der Harteier, die es sich nicht nehmen ließen, die gesamte Strecke bis ins Hotel mit dem ÖPNV zu bestreiten. Natürlich nicht, ohne zuvor einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen (nachts um zwei, am Bahnhof, gleich vor den zahlreichen, zentral gelegenen Hotels...).

Am Morgen des Samstags waren dann sogar alle beim Frühstück anwesend. Voller Tatendrang wurde der Beschluss gefasst, sich der City vom Hotel aus per pedes zu nähern. Ob dieser dann auch bis zur letzten Konsequenz durchgezogen wurde, oder ob irgendwann doch eine Bushaltestelle in Anspruch genommen wurde, kann ich schon wieder nicht so genau sagen. Zumindest wurde keiner zurück gelassen oder einem der erlösende Gnadenschuss gegeben.

Um die Mittagszeit stand dann Kultur auf dem Plan. Ob kulturelles Interesse denn nun wirklich bedeutet, dass ich auf jeden dahergelaufenen Kirchturm hochklettern muss, oder ob ich ein Bauwerk auch dadurch bewundern kann, dass ich mich für die Zeit, die sich die anderen bei dichtem Gegenverkehr die schmale Treppe hoch- und wieder runtergängeln, entspannt dagegen lehne, soll jetzt nicht Gegenstand der Diskussion sein. Jedenfalls blieben zwei Reiseteilnehmer auf dem Boden der Tatsachen und bekamen von einem merkwürdig aussehenden Mann mit tiefroter Nase (es war nicht der Nikolaus) interessante Theorien zum Thema "Drogensüchtige, homosexuelle Staatsagenten" präsentiert. Die anderen waren derweil im Glockenturm angekommen und wurden für ihre Strapazen mit einem Glockenschlag entlohnt, der seinesgleichen suchte. Der eine oder andere kam dann doch sichtlich verstört die Treppe wieder herunter. Verständlich, dass man angesichts solch eines Akustik-Schocks versucht, im Kirchenschiff des "Freiburger Münster" ein bisschen Ruhe zu finden - aber nix da! Nur wenige Minuten nach Betreten der Kirche stürzten unsere Kulturtouristen panisch aus derselben wieder heraus. Was dazu den Ausschlag gegeben hat, kam nie wirklich so ganz ans Tageslicht. Man kann nur erahnen, dass es etwas furchtbar Schreckliches gewesen sein muss, das diese gestandenen Männer in die Flucht geschlagen hat.

Zuflucht suchten wir schließlich auf der Aussichtsplattform "Schöne Aussicht", wo wir dann erstmalig an diesem Tag begannen, alkoholische Getränke zu ordern. Einer konnte dann gleich zu Anfang den Hals nicht voll genug kriegen und bestand auf ein großes Glas, was er dann auch prompt erhielt. So wurden an diesem sonnigen Mittag doch schon einige Gläser geleert - von den einen kleinere, von dem anderen größere. Damit die Ernährung nicht so einseitig ausfällt, wurde anschließend zum Biergarten der "Brauerei Feierling" gewechselt. Auf dem Weg dorthin fielen dann doch merkwürdig angekleidete Personen auf. Hmm - Leute in Regenmantel und Mütze, obwohl es gar nicht regnet? - Des Rätsels Lösung: In Freiburg wurde an mehreren Orten ein lebendiges "Mensch-Ärgere-Dich-Nicht" ausgetragen. Im Biergarten angekommen musste ein gewisser Herr - nennen wir ihn jetzt einfach mal Stefan - seinen großen Bieren Tribut zollen. Dies äußerte sich zunächst einmal in Form von Pöbeleien gegenüber den anderen Gästen, bis er dann schließlich friedlich mit dem Kopf auf dem Tisch begann, seinen Rausch auszuschlafen. Diese Gelegenheit ließen sich seine Stammtischbrüder natürlich nicht entgehen und nutzten sie für ein ausgiebiges Foto-Shooting mit besagtem Herrn als Main-Actor.

Nachdem Racer dann mit allem möglichen Material auf dem Kopf abgelichtet worden war, meldeten sich erste Hungergefühle und so zog man weiter in die nächste Gaststätte. Das Essen und das Bier dort haute unsere tags zuvor noch so verwöhnten Gaumen nicht unbedingt vom Hocker. Ob allerdings der Preis "Schlechteste Haxe meines Lebens" wirklich zurecht verliehen wurde, wollen wir mal dahingestellt sein lassen, zumal jener Preisrichter unter erheblichem Alkoholeinfluss litt und gleich nach dem Essen sein Nachtlager aufsuchte, obgleich er doch den ganzen Mittag geschlafen hatte.

Der Rest setzte sich bei milden Außentemperaturen noch in ein Straßencafe. So nach und nach verspürte jeder das Bedürfnis, seinen Verdauungstrakt zu erleichtern. Ein Vorgang, der sich bei nur einer Toilette doch recht langwierig gestalten kann. Ich behaupte einfach mal, dass ich es in dieser Zeit geschafft hätte, bis zu unserem Hotel und wieder zurück zu laufen, bis der letzte endlich auf dem Klo gewesen war (und der aufmerksame Leser weiß von oben noch, dass es ein weiter Weg bis zum Hotel war ...). Besonders lange brauchte ein gewisser Bernd. Gerüchte, er habe sich vor der Toilette minutenlang angeregt mit einer Taubstummen unterhalten, konnten nie bewiesen, aber auch nie wiederlegt werden.

Nach diesem kollektiven Stuhlgang wollten wir wieder im "Schlappen" vorbei schauen. Doch was war das? Die Kneipe platzte fast aus allen Nähten. Am nächsten Tag war nämlich das Zweitligaspiel SC Freiburg gegen Union Berlin und die Berliner Schlachtenbummler waren schon samstags angereist und füllten die Freiburger Kneipen. Also beschlossen wir nochmals, die Gastfreundschaft der Iren auf die Probe zu stellen und suchten ein weiteres Irish Pub auf (natürlich nicht mehr das, wo man uns am Vorabend rausgekehrt hatte). Glück gehabt! Tatsächlich fanden wir noch so einen Schuppen, in dem Live-Musik gespielt wurde und wir uns noch in eine freie Ecke stellen konnten, die noch nicht von Union-Fans in Beschlag genommen worden war. Übrigens wurden die Berliner am nächsten Tag mit 4:0 schmächlich nach Hause geschickt. Apropos nach Hause! Dem langen Fußmarsch am Morgen Tribut zollend spaltete sich ungefähr die Hälfte der Gruppe ab, um mit dem Bus die Rückreise ins Hotel anzutreten. Die andere Hälfte meinte, sie würde noch ein Bier trinken und dann auch aufbrechen. Es darf nun geraten werden, welche Gruppe wohl zuerst im Hotel angekommen ist. Na wer wohl? Die erste oder die zweite? Kleiner Tipp: Die erste ist mit dem Bus, die zweite ein paar Minuten später mit dem Taxi gefahren. Zumindest sah man sich noch mal in der Hotellobby. "Ach, wo kommt ihr denn jetzt her? Ihr seid doch vor uns..." - "Jaaaa! Gute Nacht!".

Am nächsten Morgen erwachte ein Stammtischbruder mit einer Genickstarre und konnte somit für den Rest der Heimreise unfreiwillig zur Unterhaltung beitragen. Ebenso wie ein mit dem Auto angereister Stammtischbruder aus dem nahen Haslach, der vor dem Hotel durch eine unglückliche Lenkbewegung noch einen gewagten Reifen-Stunt an der Bordsteinkante darbot. Das Warten auf den Zug und die Heimfahrt gestalteten sich dagegen völlig unspektakulär - wir werden halt auch älter (seufz). Alles in allem muss man sagen, hat es uns bei den Pseudo-Schwaben doch recht gut gefallen. Und so möchte ich nun enden mit den Worten:

 

Der Racer tönt - ich mach' was los!

Bringt Bier mir her - und möglichst groß!

Er trinkt und trinkt und schläft dann ein,

Wacht auf, steht auf und geht dann heim.

Hut ab! Die Leistung ist famos!

 

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