Reise

Der Stammtisch fährt mit dem ... ICE nach Bochum!

Nun ja - ganz korrekt gibt dieser Aufmacher das Geschehen nicht wieder, weil es eigentlich ein IC war und kein ICE. Aber wegen des besseren Versmaßes habe ich mich entschieden, über geringfügige technische Details hinweg zu sehen. Außerdem sind wir ja mit dem ICE zurück gefahren - aber sagt selbst: "Der Stammtisch fährt mit dem ... ICE aus Bochum" klingt irgendwie bescheuert, oder? Also seid mal nicht so nickelig oder lest halt einen anderen Artikel!
Es geht also um die Stammtischfahrt 2014. Wie in all' den Jahren zuvor entschieden wir uns wieder für die bewährte Form der FBF-Städtereise. Genau genommen müsste es eigentlich Städterundreise heißen - Altheim, Mainz, Bochum, Essen, Bochum, Aschaffenburg und schließlich schloss sich der Kreis wieder in Altheim. Erstaunlich, wie man doch in nur drei Tagen rumkommen kann!
Hauptziel war aber Bochum. Zum einen, weil wir schon des Öfteren den Ruhrpott auf der Auswahlliste hatten, zum anderen wohnt dort mit Matthias S. auch ein Gönner des Stammtisches. Ganz im Sinne des Klimaschutzes wählten wir als Verkehrsmittel die Deutsche Bahn. Start war in Altheim, von wo aus wir mit der Regionalbahn nach Mainz fuhren.
Eine Spezialaufgabe kam dabei unserem Stammtischbruder Bernd zu. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass uns im IC auch ein kühles Bierchen sofort nach dem Einsteigen gewiss ist, ließen wir ihn den Zug bereits einige Stationen vorher infiltrieren. Kaum in den IC eingestiegen proklamierten wir gleich unsere Besitzansprüche auf den Bistrowagen.
War da nur noch das Problem mit dem mitgebrachten Essen - Bruder Boni hatte nicht nur einen Koffer voll Schlappeseppel dabei (im Regionalexpress gibt es ja keinen Bistrowagen), sondern - aufgrund der Tatsache, dass die Bistrowagen nicht das traditionelle Ausflugsgericht Fleischworscht, Weck und (viel) Senf im Sortiment haben - auch den ein oder anderen Ringel Fleischwurst, Weck und einige Tuben Senf. Also galt es, das Vertrauen des Kellners zu gewinnen.


Liebgewonnenes Ritual: Das "Antrinken" der Fahrt im Bistrowagen


Herr Klaus-Guntram Linsenhoff aus Wattenscheid beim Studium seines neuen
Smartphones (die beiden Personen im weit fortgeschrittenen Haupthaardefizit
am rechten Bildrand sind der Redaktion nicht bekannt)

Nachdem wir die ersten paar Runden Bier verumsatzt hatten, brauchte es nicht mehr viel Überredungskunst, dem Kellner das Gefühl zu geben, dass es zum Schaden der Bahn nicht sein wird, wenn er uns unser mitgebrachtes Essen im Bistro verzehren lässt - schließlich macht der ganze Senf ja auch Durst, was dann ja wieder eine Bierbestellung zur logischen Konsequenz hat - außerdem ist die Nachfrage nach Plätzen freitagmorgens im Zug eh nicht so wirklich groß. So leisteten wir dem Kellner bis zum Eintreffen im Bochumer Hauptbahnhof Gesellschaft.
In Bochum angekommen, verwies Boni darauf, dass er schwer an der Bürde des mitgebrachten Schlappeseppel zu tragen hätte, was ihm angesichts des bevorstehenden Fußmarsches als nicht wirklich optimal erschien. Also legten wir vor dem Bochumer Bahnhof noch ein Zwischenbier ein. Beobachtet wurde das Ganze von einem Pärchen, das im Rahmen der gender-correctness wohl unter dem Begriff "obdachlos Seiende" firmiert. Die beiden taten ihre Verzückung durch Zurufe und lustige Gesänge kund.
Bevor uns die beiden zu sehr ins Herz schließen sollten, entschieden wir uns für den harten Schnitt und brachen auf zu unserer Unterkunft, einer Jugendherberge im sog. Bermuda-Dreieck. Zwar war es noch früh am Tag, aber schon beim Vorbeigehen fiel uns die hohe Kneipendichte auf und ließ vermuten, was hier wohl abends alles geboten sein würde.
Jetzt aber galt es erst mal, etwas Kulturerbe zu besichtigen. Ab ins Bergbaumuseum Bochum! Dort hat man das Leben unter Tage nachgestellt. Das Ganze beginnt mit einer simulierten Aufzugfahrt. Man steht dabei in einem überheizten Auzug (unter Tage ist es schließlich warm), der ein bisschen durchgerüttelt wird, während die Wände als Film an einem vorbeifahren. Aufgelockert wird das Ganze noch durch Einspielfilmchen, in denen bekannte Schauspieler in Bergmannskluft im für die Region typischen Jargon und Dialekt aus dem Bergmannsalltag erzählen (für intime Kenner der "Lass jucken, Kumpel"-Trilogie nichts wirklich Neues).


Im Schaubergwerk des Deutschen Bergbaumuseums - Grupenbild mehrere
hundert Zentimeter unter der Erdoberfläche

Nach dem Bergbaumuseum ging es dann erst mal weiter ins "Blondies", wo auffällig gut gepflegte männliche Bedienungen Bio-Bier und Bio-Burger servieren (wir hatten ja die ganze Fahrt über kaum etwas gegessen und getrunken). Aus den bequemen Polstersesseln heraus ließ sich durch die Panoramascheibe gut ein motorisierter Gesetzeshüter bei der Arbeit beobachten, wie er Passanten, die das Gesetz selbst in die Hand genommen und bei Rot die Fußgängerampel passiert hatten, schonungslos zur Rechenschaft zog. Hier gesellte sich dann auch unser Scout Matthias S. dazu.
Da wir ja schon lange nichts mehr gegessen und getrunken hatten, ging es weiter ins "Brauhaus Rietkötter", wo unser Scout für uns reserviert hatte. Eine Runde des erlesenen Bierbrandes mündete in eine heftige Diskussion. Die von der Kellnerin genannte Literzahl an Bier, die benötigt wird, um einen Liter dieses Brandes herzustellen ist derart hoch, dass dieser edle Tropfen die Existenz der Kneipe gefährdet. Auch durch mehrfaches Nachrechnen kamen wir immer wieder zum Resultat, dass der Wirt bei jedem Glas mächtig drauflegen muss. Irgendwann gaben wir uns mit dieser Tatsache ab - vielleicht hatten wir uns ja auch verhört oder die Kellnerin hatte keine Ahnung - oder beides.
Danach war "Hardcore" angesagt. Wir gingen ins "Hufeisen", wo wir mit Schlagermusik bedröhnt wurden. Irgendwann machten wir uns dann auf den Heimweg. Da manche sich noch nicht genug verausgabt hatten, kehrten sie noch mal im "Intershop" ein. Musikalisch bot diese Örtlichkeit ein Kontrastprogramm zur Schlagermusik.
Nach und nach löste sich unsere Gruppe auf und die Teilnehmer zog es ins Quartier. Bis auf drei Personen, die nach einem Tag des Darbens und der Askese einer Fressattacke erlagen und im Bermudadreieck noch mal einen Burgerladen aufsuchten, um nicht mit leerem Magen ins Bett gehen zu müssen.
Tag 2 des Ausfluges wurde von Heiko H. organisiert. Für technikaffine Stammtischler bestand die Möglichkeit, einer persönlichen Führung am Institut für Materialkunde beizuwohnen. Dort hörte man so allerlei Wissenswertes über die Verwendung und Zusammensetzung von Beton, der sich abzeichnenden Sandknappheit, die eingeschränkte Eignung von Wüstensand und die gute Vernetzung der deutschen Betonlobby in den Normungsgremien.
Während wir Versuchsaufbauten bestaunten, bei denen durch mechanische Belastung Betonproben über ihre Grenzen hinweg malträtiert wurden, brachte der ein oder andere mittels seiner Darmbakterien die Lüftungsanlage an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Dies schien auch unserem Referenten aufgefallen zu sein, endete doch sein Vortrag mit dem Satz: „Hat noch jemand Fragen, oder muss vielleicht noch jemand auf's Klo?“
Zwischenzeitlich war auch Andy M. in Bochum eingetroffen, um das Dutzend voll zu machen. Alle gemeinsam machten sich dann auf den Weg in die Nachbarstadt Essen, wo sich das 25. Zechenfest jährte. Dort besichtigten wir sowohl die Zeche als auch die Kokerei und nahmen diverse Speisen und Getränke zu uns.
Wir waren auch nicht die einzigen Münsterer auf diesem Fest. Getreu dem Motto "Die Welt ist ein Dorf" trafen wir dort auf Reiner K. samt seiner Familie.


"Zechen" auf Zollverein in (bzw. beim) Essen

Nach Industriekultur und Esskultur war nun Popkultur angesagt. Nach und nach klapperten wir die verschiedenen Stages ab und blieben schließlich bei "Die Zelten" hängen. Diese 2-Mann-Combo ist der Beweis, dass es nicht mehr braucht als Schlagzeug und Bass (jaja - ZZ-Top und Motörhead, schwelgt Ihr nur im Luxus des personellen Überhangs - es geht auch mit weniger!). Der instrumentelle Minimalismus wurde ergänzt durch eingängige Texte wie "Wart' nicht bis das Wasser kocht - alles kann man braten", "Die Suppe des Herrn" oder "Mit dem Bagger in die Disco" (Dieser Titel stand Pate für die Artikelüberschrift, eigentlich heißt es in dem Lied "Der feine Herr fährt mit dem ... Bagger in die Disco").
Anschließend boten "Kann Sein und Koni" ihre Kunst dar. Auch hier waren lebensnahe Texte rund um den Alkoholkonsum zu vernehmen (z.B. "Wegbier"). Allerdings befanden sich in unserem Dutzend wenig eingefleischte Hip-Hop-Fans, die der Musik viel abgewinnen konnten. Irgendwann war es dann auch an der Zeit, den Rückweg anzutreten.
Nach einem gemeinsamen Abendessen im "Taj Mahal" besuchten wir noch die ein oder andere Location im Bermudadreieck, bis dann schließlich alle nach und nach in Folge dieses ereignisreichen Tages ihre Schlafstätte heimsuchten.
Am Sonntag machte sich bereits ein Stammtischbruder früher auf den Weg nach Münster. Dafür sollte sich der Spruch "Wenn einer eine Reise tut, dann kann was erleben" bewahrheiten. Nicht genug, dass wegen eines Oberleitungsschadens der Zug ausfiel und er einen Umweg über Dortmund machen musste - dort wurde er dann auch noch Opfer eines Verbrechens.
Die anderen frühstückten erst mal gediegen und gingen dann wieder ins Bermudadreieck um dort zu Mittag zu essen und auf den Videoleinwänden dem 0:5-Debakel des VFL Bochum zuzusehen. Auf der Rückfahrt konnte man dann feststellen, dass es derweil doch nicht zu übersehen ist, wie unterschiedlich die einzelnen Mitglieder unserer Reisegruppe solch ein verlängertes Wochenende verkraften. Während sich die eine Hälfte dösend auf den reservierten Sitzplatz begab, schlug die andere Hälfte am Stehbiertisch des Bordbistros Wurzeln und bescherte den Bedienungen Rekordumsätze.


Materialprüfung nicht bestanden......

Da machte es auch nichts, dass Bernd, in Anlehnung an die Besichtigung des Vortages, das Bierglas einer Elastizitätsprüfung unterzog. Der Materialwissenschaftler unterscheidet generell zwischen einer zerstörungsfreien und einer zerstörenden Werkstoffprüfung. In diesem Fall muss man von einem fließenden (oder eher berstenden) Übergang sprechen. Aber wie gesagt - der Bistroaufenthalt sollte zum Schaden der Deutschen Bahn nicht gewesen sein ...
Die Stammtischler waren derart in die Experimente vertieft, dass sie fast den Ausstieg in Aschaffenburg versäumt hätten. Dass sie den Zug dann aber doch noch erreicht hatten, war zum Leidwesen so mancher unbeteiligter Bahnreisender aber nicht zu überhören. Letztlich kamen dann alle wohlbehalten in Altheim an, wo sie vom Abholdienst in Empfang genommen wurden
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